Das Leben ist hektisch, der Alltag voll. Trotzdem wollen wir mehr Abwechslung, mehr Geld, mehr Ansehen, mehr Besitz, mehr Leistung, mehr Sex. Das «Mehr» ist allgegenwärtig und entscheidend. Doch wovon „mehr“ ist (noch) gesund und macht glücklich?
Die Wichtigkeit des Spüren
In der therapeutischen Arbeit berichten viele Menschen, dass sie mehr spüren wollen. Sie erkennen, dass ihnen Ruhe und Langsamkeit guttun und ihren persönlichen Raum erweitern. Fakt ist, dass das hektische Leben oftmals Stress auslöst, der sich im Körper bemerkbar macht und das Wohlbefinden und die Gesundheit eines Menschen beeinflusst, mitunter auch negativ. Dieses «Mehr» hat ebenfalls erhebliche Auswirkungen auf das sexuelle Leben. Dies sind einige Folgen, welche sich in der Sexualtherapie bemerkbar machen:
Sexuelle Lustlosigkeit, Orgasmusschwierigkeiten, Erektionsschwierigkeiten und dranghaftes Bedürfnis Sex haben zu müssen, um abschalten und loslassen zu können. Der Kopf ist stets beschäftigt, das Nervensystem zu beruhigen, das kostet viel Energie und Kraft. Wo soll es da noch Platz für lustvolle Sexualität, Intimität, Spüren und Beziehung geben?
Der Sympathikus ist ein Teil des vegetativen Nervensystems. Der Gegenspieler ist der Parasympathikus.
Genau das habe ich mich gefragt und finde, dass das Wort «mehr» an für sich kein Problem darstellt. Die Frage ist, wovon ich mehr will und ob ich weiss, was mir guttut. Mehr Ruhe, mehr Langsamkeit und mehr Kontakt mit dem Körper sind bestimmt erstrebenswerte Faktoren, welche auch die Sexualität spürbar lustvoll beeinflussen. Das entscheidende ist nur, von welchem Blickwinkel aus das «Mehr» angestrebt wird.
Situation in der Therapie
„Was hilft Ihnen abzuschalten, ein Moment inne zu halten und sich Ruhe zu gönnen?“ Dies ist in der Therapie eine Frage, welche ich meinen Klient:innen oftmals stelle, wenn es um Spannung im Körper geht, welche sich negativ oder hemmend auf die Sexualität auswirkt. Ich stelle fest, dass viele zwar durchaus Strategien haben oder Verschiedenes ausprobieren, doch wirklich zur Ruhe kommen wenige oder nur für kurze Zeit. Dann geht der Alltag wieder weiter. Der Mental Load, sprich die Belastung, welche durch das Organisieren von Alltagsaufgaben entsteht, scheint konstant hoch.
Was ist Mental Load genau?
Mental Load umfasst die Alltagsbelastung. Diese bleibt meistens unsichtbar und wird gesellschaftlich als selbstverständlich wahrgenommen. Mental Load ist die Last, welche aus der alltäglichen Verantwortung für die Familie, für den Haushalt, und den Umgang mit den unterschiedlichen Bedürfnissen einhergeht. Der Begriff „Mental Load“ wird oftmals für die ungleichmässige Verteilung der unbezahlten Sorgearbeit verwendet. Diese belastet Beziehungen und macht auf die gesellschaftlich vorherrschenden Strukturen aufmerksam. Zumeist sind Frauen* davon betroffen, weil sie vermehrt die Carearbeit übernehmen. Die Carearbeit wird nicht bezahlt und sorgt für gesellschaftliche Ungleichheit.
Wenn du mehr zum Thema „Mental Load“ wissen möchtest, findest du unter folgendem Link hilfreiche Inhalte:
Der Körper als Schlüsselfunktion für mehr Ruhe?
Wenn Menschen mehr sexuelle Lust, mehr spüren und mehr Genuss in ihre Sexualität integrieren wollen, ist die Körperarbeit ein zentrales Schlüsselelement. Es bringt die Menschen weg vom gedanklichen Karussell und ihren Bewertungen, hin zum Erleben und den verbundenen Emotionen. Die Körperarbeit braucht Ruhe, um fruchten zu können und um im Erleben Veränderungen vorzunehmen. Denn genau diese Veränderungen brauchen wir, um sexuell gesunde und glückliche Menschen zu sein!