Solosexualität ist für viele Menschen noch ein tabuisiertes Thema. Oder hast du schon mal mit deiner:m Freund:in darüber gesprochen? Dabei ist es ein wichtiger und nährender Bestandteil sexueller Identität, Selbstliebe und auch gesunder Beziehungen. In diesem Artikel erfährst du, was Solosexualität bedeutet, wie sexuelle Erregung entsteht und was sie hemmt. Ausserdem ergründest du, wie Solosex dein eigenes Lustempfinden bereichern kann.
Du möchtest dein sexuelles Erleben vertiefen und dich selbst besser verstehen?
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Was ist Solosexualität?
Solosexualität beschreibt ein sexuelles Erleben, das sich primär auf das eigene Selbst bezieht. Solosex ist ein ganzheitlicher Zugang zur eigenen Lust, Fantasie und Intimität mit sich selbst.
Synonyme Begriffe sind: Masturbation, Selbstbefriedigung oder Autoerotik. Es gibt noch viele weitere Begriffe. Im weiteren Verlauf spreche ich hier, wie auch bei meiner therapeutischen Arbeit in der Praxis, von „Solosexualität“ oder „Solosex“.
Solosex kann dabei mehr sein als ein Mittel zur Befriedigung. Er wird oft als Akt der Selbstfürsorge, der Selbstakzeptanz und sogar der ganzheitlichen Verbundenheit mit dem eigenen Körper erlebt. In einer Gesellschaft, die sexuelle Erfüllung häufig an Beziehung oder zwischenmenschliche Nähe koppelt, stellt Solosexualität eine Alternative dar, die Individualität und Selbstgenuss in den Mittelpunkt rückt. Für viele bedeutet das, sich selbst als sexuelles Wesen in der Tiefe kennenzulernen, sich selbst Zeit zu schenken und die eigene Sinnlichkeit ohne äussere Erwartungen zu erforschen.
Diese Form gelebter Sexualität ist nicht notwendigerweise ein Verzicht auf zwischenmenschliche Nähe, sondern oft ein bewusster Ausdruck der Selbstliebe. Solosex erlaubt es, Intimität in einer Weise zu erleben, die frei ist von Kompromissen oder Rollenbildern ist. Dies kann ganz im eigenen Tempo und im Einklang mit den eigenen Bedürfnissen entstehen. Wer dies tut, kann in der Auseinandersetzung mit sich selbst eine tiefe Form der Authentizität und sexuellen Selbstbestimmung erfahren.
Wie entsteht sexuelle Erregung und wie wird sie gehemmt?
Sexuelle Erregung ist ein Reflex, der nicht willentlich ausgelöst werden kann. Es ist ein Zusammenspiel aus körperlichen, emotionalen und kognitiven Reizen. Sie kann im Kopf, mit Fantasie, Erinnerungen oder äusseren Reizen ausgelöst werden. Doch auch unsere 5 Sinne sind bei der Entstehung und Verstärkung der sexuellen Erregung beteiligt. In der Therapie spreche ich auch von Erregungsquellen.
Die gute Nachricht: Obwohl du den Erregungsreflex nicht willentlich auslösen kannst, ist es möglich, deine Erregungsquellen kennenzulernen und/oder zu erweitern, deine Erregung damit gezielt zu verstärken und zu steuern, bis hin zum zweiten Reflex, dem Orgasmusreflex.
Erregung aufbauen durch:
- Erotische Gedanken und Tagträume
- Pornografie
- Berührungen
- Sinnliche Rituale
- Geruchssinn
- Geschmackssinn
- erotische Hörspiele
- …
Erregung kann gehemmt werden durch:
- Leistungsdruck oder Selbstkritik
- Scham oder gesellschaftliche Tabus
- Stress, Erschöpfung, psychische Belastung
- Negative Beziehungserfahrungen
- …
Vorteile von Solosexualität
Solosex kann nicht nur lustvoll, sondern auch heilend und stärkend sein. Besonders in Phasen ohne Partner:in oder nach belastenden Erfahrungen kann Solosex helfen, die Verbindung zum eigenen Körper neu zu finden oder zu vertiefen.
Vorteile im Überblick:
- Stärkung der (sexuellen) Autonomie
- Stärkung des Körperbezugs
- Klarheit über eigene Vorlieben & Grenzen
- Selbstwertsteigerung durch lustvolle Selbstannahme
- Unabhängigkeit von äusserer Bestätigung
- Erweiterung der sexuellen Fantasie
Klarheit über Bedürfnisse & Grenzen
Wer sich selbst sexuell gut kennt, kann auch in Beziehungen klarer, ehrlicher und respektvoller kommunizieren. Solosex hilft dabei, nicht nur die eigenen Vorlieben zu entdecken, sondern auch zu spüren, was wirklich stimmig ist. Dabei hat dies körperliche, emotionale und mentale Vorteile für dich!
Fragen, die dabei helfen können:
- Was macht mir wirklich Freude und warum?
- Welche Berührungen oder Fantasien sprechen mich an?
- Was fühlt sich unangenehm, zu viel oder zu wenig an?
- Wo endet mein Wohlgefühl, wo beginnt ein innerer Widerstand?
Diese Selbstreflexion schafft nicht nur mehr Sicherheit im eigenen sexuellen Erleben, sondern stärkt auch das Selbstwertgefühl. Wer die eigenen Bedürfnisse benennen kann, schützt sich besser, übernimmt Verantwortung für das eigene Lustempfinden und kann in einer Beziehung klarer und bestimmter kommunizieren.
„Grenzen zu kennen bedeutet nicht, weniger zu wollen, sondern das eigene sexuelle Erleben bewusst zu gestalten.“
Foto von Raphaela Graf
Solosex in der Beziehung
Ein häufiges Missverständnis ist, dass Solosex ein Zeichen mangelnder Lust auf die Beziehungsperson sei. Oder gar, dass Solosex in einer Beziehung Tabu ist und in Konkurrenz mit dem Beziehungssex steht. Doch das Gegenteil ist oft der Fall: Menschen, die ihre eigene Sexualität selbstbestimmt und genussvoll erleben, bringen häufig mehr Klarheit, Lust und Präsenz in die gemeinsame Sexualität.
Solosex kann in einer Beziehung ein kraftvoller Ausdruck von Selbstfürsorge, Selbstliebe und innerer Freiheit sein und damit auch eine Bereicherung für die gemeinsame Sexualität.
Solosex ist nicht gegen die Partnerschaft gerichtet, sondern ein Teil gesunder und selbstbewusster Sexualität.
Statt Misstrauen oder Rückzug auszulösen, kann der offene Umgang mit dem Thema Verbindung und Vertrauen fördern. Deshalb sprich auch mit deiner Beziehungsperson über das Thema Solosex!
Tipps für einen guten Austausch mit der Beziehungsperson:
- Offen, und achtsam kommunizieren: Teile deine Erfahrungen und Wünsche in einem sicheren Rahmen, ohne Vorwürfe oder Erwartungen.
- Solosex als Ergänzung verstehen, nicht als Ersatz: Es geht nicht darum, etwas zu kompensieren, sondern etwas zu ergänzen.
- Neugier füreinander kultivieren: Was erregt dich allein und was gemeinsam? Welche Fantasien sind nur für dich, welche möchtest du teilen?
- Gemeinsame Rituale entwickeln: Vielleicht gibt es einen Raum für geteilte Solosex-Momente, erotische Gespräche oder das Teilen von sexuellen Fantasien. Auch eine bewusste Erlaubnis, sich Zeit für sich selbst zu nehmen, kann lustfördernd wirken.
Gerade in längeren Beziehungen kann es befreiend sein, die Idee loszulassen, dass jede Lust gemeinsam erlebt werden muss.
Eigenständigkeit in der Sexualität ist kein Mangel an Intimität.
Sie schafft Raum für echte Nähe.
Foto von Alexander Krivitskiy auf Unsplash
Solosexualität in der Sexualtherapie
In der sexualtherapeutischen Arbeit ist der Zugang zur eigenen Lust ein zentraler Schlüssel. Solosex wird dabei nicht als „Ersatzlösung“ für fehlenden Beziehungssex betrachtet, sondern als Ressource für Selbstwirksamkeit und Selbstbegegnung.
Die bewusste Auseinandersetzung mit der eigenen Erregbarkeit, Fantasie und Körperwahrnehmung kann neue Räume öffnen, jenseits von Leistungsdruck, Vergleich oder Funktionalität. Viele Menschen erleben Solosex in der Therapie zum ersten Mal nicht als etwas Heimliches oder „nur Privates“, sondern als eine Form von Intimität, die Selbstachtung und Selbstfürsorge ausdrückt.
In der Arbeit mit Solosexualität geht es darum, Lust wieder zu spüren oder neu zu entdecken, ohne dass Erwartungen von aussen eine Rolle spielen. Wer sich auf diesen Prozess einlässt, kann hinderliche Glaubenssätze über Sexualität hinterfragen, belastende Erfahrungen integrieren und ein positives, lebendiges Körperbild entwickeln. Auch für Menschen, die Schwierigkeiten mit Erregung, Orgasmus oder sexueller Identität haben, kann Solosex ein sicherer und selbstbestimmter Weg sein.
Solosex ist dabei nicht nur ein Mittel zur Selbstbefriedigung, sondern ein Weg, mit dem eigenen Begehren in Kontakt zu kommen. Und genau dieser Kontakt ist oft der erste Schritt zu einem erfüllteren sexuellen Erleben.
Podcasts & Bücher über Solosexualität
Buchtipps
- „Coming Soon – Orgasmus ist Übungssache“ von Dania Schiftan
- „Sie hat Bock“ von Katja Lewina
- „Kopf aus Lust an – Wie du deine Lustlosigkeit überwindest und ein erfülltes Sexleben führst“ von Julia Henchen
Podcasts
„Sexologie“ von Caro und Melina
„Masturbation: Wie viel Selbstbefriedigung ist gut für uns?“ von Wissen Weekly
Ausblick
Solosex ist gesund, menschlich und so belebend! Solosexualität bedeutet nicht Verzicht, sondern Fülle. Wer sich selbst kennt, kann intensiver, achtsamer und bewusster lieben. Sich selbst und auch andere!
Die Auseinandersetzung mit dem eigenen Lustempfinden ist ein kraftvoller Weg zu sexueller Selbstbestimmung.
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Willst du noch weiterlesen?
Hier findest du meinen vorherigen Blogartikel: